Die vielen Gesichter der Arbeitslosigkeit

Lesezeit
3
viele Gesichter. KI generiert
Rund 3 Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos. Dahinter stecken individuelle Schicksale. Über eine Dokumentation der Journalistin Sarah Tacke

Rund 3 Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos. Doch hinter dieser abstrakten Zahl stecken individuelle Schicksale. Die ZDF-Journalistin Sarah Tacke hat sich auf den Weg gemacht, einige von ihnen kennenzulernen. 

Für meine Doku „Arbeitslos – Kein Bock oder keine Chance?“ konnte ich über längere Zeit Menschen begleiten, die aus ganz unterschiedlichen Gründen arbeitslos sind. Mir hat die Beschäftigung mit dem Thema vor allem eines gezeigt: Arbeitslosigkeit hat viele Gesichter. 

Da gibt es zum Beispiel Cindy, eine alleinerziehende Mutter aus Brandenburg. Ihr Sohn hat eine Entwicklungsstörung, aber es fehlt eine verlässliche, ganztägige Betreuung. Für Cindy ist es eine Priorität, für ihr Kind da zu sein – was ich als Mutter sehr gut nachvollziehen kann. Es zeigt aber auch ein strukturelles Problem: Die Kinderbetreuung in Deutschland ist absolut unzuverlässig. Für Paare ist das schwer genug, aber für Alleinerziehende ist es teilweise unmöglich, da noch einer geregelten Arbeit nachzugehen. 

eine Frau lehnt an einem Lampenpfosten vor einer Hausfassade

Unter den Arbeitslosen gibt es auch überdurchschnittlich viele Frauen mit Migrationshintergrund. Sevgi etwa, mit der ich in der Doku sprechen konnte, verfügt über keine formale Qualifikation und nur geringe Deutschkenntnisse. Aber sie ist eine überaus hilfsbereite Person – und dank eines Vereins, der Frauen wie sie berät, könnte ihr bald der Einstieg in die Altenpflege gelingen. 

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Benjamin, ein Langzeitarbeitsloser aus Berlin. Er war jahrelang schwerst drogenabhängig. Die Sucht hat er überwunden, aber trotzdem ist er nicht in der Form leistungsfähig, wie es für die meisten Jobs erforderlich wäre. Sein Fall hat mir vor Augen geführt, wie wertvoll für Menschen wie ihn schon eine Minimalbeschäftigung sein kann. Denn Arbeit ist mehr als Geldverdienen: Arbeit gibt Selbstwert, Struktur, eine Aufgabe. 

zwei Frauen unterhalten sich an einem großen Tisch

Doch ich habe auch Menschen wie den Informationselektroniker Christoph getroffen, die entschieden haben: Arbeit lohnt sich für mich nicht. Der Unterschied zwischen den Leistungen des Bürgergelds und dem, was man bei einer Beschäftigung zum Mindestlohn verdient, ist zu gering. Ich verstehe, dass Leute da sagen: Warum soll ich überhaupt noch arbeiten gehen? Ich verstehe Menschen wie die Reinigungskraft Lucia, die für kleines Geld arbeiten und das nicht gerecht finden. 

Um Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu holen, braucht es also politische Anstrengungen: eine verlässliche Kitabetreuung und einen größeren Abstand zwischen Bürgergeld und Mindestlohn. 

Und für die, die sich aus verschiedenen Gründen schwer tun mit dem (Wieder-) Einstieg ins Berufsleben, sind maßgeschneiderte Programme und eine individuelle Betreuung erforderlich. Denn Menschen brauchen Menschen. Und diejenigen, die in dem bestehenden System nicht zurechtkommen, brauchen erst recht jemanden, der sie an die Hand nimmt und unterstützt. 

Sarah Tacke 

 

Beitrag aus ParitätInform 3/2025