Sozialer Arbeitsmarkt öffnet Beschäftigungsperspektiven

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Person mit blauer Schürze und gelben Handschuhen formt ein Herz mit den Händen
Kooperationsmodell zwischen Stadtverwaltung, Jobcenter, freien Trägern, gemeinnützigen Betrieben und der Zivilgesellschaft.

Die Stadt Karlsruhe verfolgt mit dem Gesamtkonzept „Sozialer Arbeitsmarkt“ seit 2014 einen eigenen, kommunal koordinierten Ansatz, um Menschen mit besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt neue Perspektiven zu eröffnen. Herzstück ist ein verbindliches Kooperationsmodell zwischen Stadtverwaltung, Jobcenter, freien Trägern, gemeinnützigen Betrieben und der Zivilgesellschaft zur Schaffung längerfristiger Beschäftigungsmöglichkeiten. 

Die Kernstücke des kommunalen Gesamtkonzepts sind die Maßnahmen des Sozialen Arbeitsmarkts (SAMka). Sie richten sich an langzeitarbeitslose Menschen, deren Chancen auf reguläre Beschäftigung auch mit klassischen Förderinstrumenten kaum verbessert werden konnten – häufig wegen gesundheitlicher Einschränkungen, fehlender Abschlüsse, langer Erwerbslosigkeit oder multipler Problemlagen. Der Soziale Arbeitsmarkt bietet diesen Menschen mit einer freiwilligen Maßnahme die Möglichkeit einer längerfristigen Teilhabe am Arbeitsleben. 

Flexibel, sozial und gemeinwohlorientiert 

In der Struktur sind die Beschäftigungsangebote vergleichbar mit den als „Zwei-Euro-Jobs“ bekannten Arbeitsgelegenheiten (AGH) der Jobcenter. Es gibt allerdings bedeutsame Unterschiede: 

  • Die Beschäftigungsangebote sind freiwillig – es nehmen nur Menschen teil, die arbeiten wollen.
  • Die Dauer der Maßnahmen ist flexibel. Teilnahmevereinbarungen werden in der Regel für ein Jahr ausgestellt, können aber verlängert werden, solange die Voraussetzungen und der Bedarf für eine Teilnahme weiterhin gegeben sind. 

Die Finanzierung erfolgt auf Grundlage der kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a Absatz 3 SGB II (Psychosoziale Betreuung) und über freiwillige Leistungen, die der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe im Jahr 2013 zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarkts beschlossen hat. Pro Jahr werden rund 220 Maßnahmeplätze gefördert. Derzeit bieten sieben Träger über 120 Einsatzstellen an, u. a. im Handwerk, Verkauf, Betreuung und Alltagsbegleitung, Hauswirtschaft, Grünpflege oder Bürotätigkeiten. Die Stellen sind sowohl bei den Trägern selbst als auch an gemeinnützigen externen Einsatzstellen angesiedelt. Sie sind zusätzlich, wettbewerbsneutral und werden fachlich und sozialpädagogisch begleitet. Die strategische Steuerung und Bewilligung ist an den ESF-Arbeitskreis der Stadt Karlsruhe geknüpft, in dem alle relevanten Arbeitsmarktakteure vertreten sind. Die Koordinierung, Verwaltung und Weiterentwicklung der Maßnahmen erfolgt über die Arbeitsförderung Karlsruhe gGmbH (afka) als Beschäftigungsgesellschaft der Stadt Karlsruhe. 

Wirkung für Menschen und Stadt 

Über 1.000 Menschen haben seit Einführung des Sozialen Arbeitsmarkts in Karlsruhe auf diesem Weg (wieder) einen Zugang zur Arbeitswelt gefunden. Für viele bedeutet das nicht nur einen Zuverdienst, sondern auch Teilhabe, Tagesstruktur und Selbstwirksamkeit. Die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten ohne Druck und in einem geschützten Rahmen (wieder) zu erproben, führt manchmal zu erstaunlichen Entwicklungen, die bis hin zu einer (Wieder-)Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt führen können. Auch wenn dies nicht das primäre Ziel von SAMka ist, war die Durchlässigkeit in den zweiten und ersten Arbeitsmarkt von Beginn an ein zentraler Baustein der Konzeption. Seine Umsetzung findet er vor allem in der guten, teilnehmer-bezogenen Zusammenarbeit zwischen Trägern und Jobcenter. 

Für andere Teilnehmer*innen ist die Beschäftigung im Sozialer Arbeitsmarkt ein verlässlicher Rahmen, der ihnen erlaubt „anzukommen“ und ihren Möglichkeiten entsprechend einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Erfahrung und Gespür der Sozialarbeiter*innen, aber auch eine über Jahre gewachsene, vertrauensvolle Kooperation der Träger untereinander sind Erfolgsfaktoren dafür, dass ein gutes „matching“ zwischen Person und Einsatzstelle stattfinden kann. 

Auch die Stadt profitiert: Mit SAMka werden Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik effektiv miteinander verzahnt. Viele der Einsatzstellen erbringen gemeinwohlorientierte Dienstleistungen für die Stadt Karlsruhe oder unterstützen die Arbeit von Tafeln, Second-Hand-Läden und Einrichtungen für Obdachlose. Sie halten damit auch eine bestehende soziale Infrastruktur am Laufen. Diesen Mehrwert sichtbar zu machen, ist entscheidend für die Akzeptanz der geförderten Beschäftigungsangebote auch in Zeiten knapper Kassen. 

Ein Modell mit Zukunft 

Das Karlsruher Modell gilt bundesweit als vorbildlich, weil es Kontinuität schafft, auf verbindliche Kooperationen setzt und sich kontinuierlich weiterentwickelt. Trotz schwieriger Haushaltslage wurde 2024 die bislang dritte Fortschreibung des erfolgreichen Konzepts vom Gemeinderat der Stadt Karlsruhe einstimmig verabschiedet. Das Experiment eines sozialen Arbeitsmarkts in Karlsruhe bewährt sich seit über zehn Jahren und bildet damit, pragmatisch und unaufgeregt, einen Gegenentwurf zur wachsenden gesellschaftlichen Stigmatisierung langzeitarbeitsloser Menschen. 

Johanna Hopfengärtner
Geschäftsstelle ESF und Sozialer Arbeitsmarkt in Karlsruhe 

 

Beitrag aus ParitätInform 3/2025

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