Paritätische Fachveranstaltung „Jugendliche als Gefahr, Risiko oder Hoffnungsträger?“ in der Stadthalle Rottweil

Publikum bei Fachveranstaltung

Am 09. Juli 2025 fand in der Stadthalle Rottweil eine paritätische Fachveranstaltung zu den Themen Jugend, gesellschaftliche Diskurse und psychische Gesundheit statt. Über 100 Teilnehmende – darunter Fachkräfte aus Jugendhilfe, Bildung, Schule und Verwaltung – waren der Einladung des paritätischen Regionalverbunds Schwarzwald-Baar-Heuberg gefolgt, um sich über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven in der Arbeit mit jungen Menschen auszutauschen.

Tamer Öteles (Regionalverbundsprecher und Vorstand der Stiftung Lernen-Fördern-Arbeiten) begrüßte die Anwesenden und führte aus, dass „ein Miteinander der Generationen“ wichtig sei, „in dem man junge Menschen gerne sieht – nicht weil sie funktionieren, sondern weil sie dazugehören!“ 

Der erste Vortrag trug den Titel „Jugendliche als Gefahr, Risiko oder Hoffnungsträger*innen? Gesellschaftliche Diskurse um Jugend(en)“. Jun.-Prof.in Dr.in Yağmur Mengilli, Universität Tübingen, analysierte, wie Jugend medial, politisch und gesellschaftlich gedeutet wird – mal als Problem, mal als Potenzial. Sie verwies auf die Bedeutung von jugendlichen Lebenspraxen wie dem „Chillen“, das in der Forschung als eigensinnige und sinnstiftende Praxis anerkannt werde. Der Vortrag machte deutlich: Jugendliche benötigen Räume, „wo sie sich treffen und chillen können“. Das Chillen wurde zudem als ambivalente Praxis zwischen Anrufung und Aktivierung beschrieben, indem es nicht nur der Entspannung, sondern auch der Selbstvergewisserung und Zugehörigkeit diene. Mengilli plädierte für eine Anerkennung jugendkultureller Praktiken und eine kritische Auseinandersetzung mit Adultismus – also der strukturellen Abwertung junger Menschen durch Erwachsene. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Jugendsein sollte nicht nur über Jugendliche geführt werden, sondern mit ihnen und durch sie. Die Referentin formulierte drei zentrale Denkanstöße:
1.    Das Sprechen über Jugendliche verändert unsere Haltung.
2.    Das Sprechen als Jugendliche macht Partizipation zu einem echten Grundrecht.
3.    Das Sprechen mit Jugendlichen erfordert Räume der Begegnung und des Dialogs.

Den zweiten Vortrag mit dem Titel „Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen – nicht nur Corona ist verantwortlich“ hielt Dr.in Petra Brenneisen-Kubon, Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinder-und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin in Villingen-Schwenningen. Sie zeigte auf, dass psychische Belastungen junger Menschen viele Ursachen haben könne und die Pandemie lediglich bestehende Problemlagen verstärkt habe. Brenneisen-Kubon sensibilisierte für einen ganzheitlichen Blick auf Prävention und Unterstützung, für einen umfassenden, interdisziplinären Ansatz in der Arbeit mit jungen Menschen. Der Vortrag ging über Problembeschreibungen hinaus und zeigte konkrete Ansätze auf, wie Resilienz gefördert werden kann. Bedingungen des Aufwachsens seien dabei wichtig. Kinder und Jugendliche sollten zudem viel mehr als bisher bei der Gestaltung ihrer Lebenswelten mit einbezogen werden – „und zwar nicht nur in Alibifunktion“, betonte die Referentin.
Ihr zentrales Plädoyer lautete: „Kinder und Jugendliche wissen sehr gut, was für sie gut ist. Wir sollten ihnen zutrauen, eigene Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Und wir dürfen ihnen auch etwas zumuten.“ Mit Nachdruck forderte Brenneisen-Kubon außerdem strukturelle Veränderungen.

Es folgte eine Podiumsdiskussion, in der die Referentinnen, Angela Jetter (Dezernentin für Soziales, Jugend und Versorgung Landkreis Rottweil) und Ralf Schneider (Schulamtsdirektor Sekundarstufe l, Staatliches Schulamt Donaueschingen) zum Thema diskutieren. Die Moderation übernahm Tamer Öteles. Die Expert*innen griffen die zentralen Thesen der Vorträge auf, vertieften diese und diskutierten praxisnahe Lösungsansätze. Der Konsens: Es braucht mehr Räume für Mitgestaltung, bessere Unterstützungsstrukturen und einen Perspektivwechsel im Umgang mit Jugend.

Die Veranstaltung wurde von den Teilnehmenden als fachlich fundiert und inspirierend bewertet. Sie bot wichtige Impulse für Fachkräfte und Entscheidungsträger*innen sowie Raum für Dialog und Perspektivwechsel.