„Wir wählen Wünsche, nicht Realitäten“ – Sommergespräch mit Dr. Gregor Gysi

Fachinformation - geschrieben am 27.07.2023 - 11:01
2 lachende Männer auf einem Podium

„Wie weiter – Nachdenken über Deutschland“ – dafür kam Dr. Gregor Gysi auf Einladung des paritätischen Kreisverbandes Konstanz am 25. Juli zum „Sommergespräch“ ins Naturfreundehaus Markelfingen. Längeres gemeinsames Lernen für Kinder, bessere Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen und verständliche Sprache im Bundestag, das waren nur einige der Forderungen, die Gysi gewohnt eloquent präsentierte.

Das 75-jährige Politik-Urgestein glänzte nicht nur mit Anekdoten aus seiner langen Politikerkarriere, sondern spannte den Bogen seiner Ansichten weit: Den Abspaltungstendenzen in der eigenen Partei „Die Linke“ bescheinigte er keine dauerhaften Erfolgsaussichten. Die aktuellen Erfolge der AfD führte er unter anderem darauf zurück, dass bei der Wiedervereinigung keinerlei Errungenschaften der DDR übernommen worden seien und so das Selbstbewusstsein der Menschen in dieser Region nachhaltig gedämpft wurde. Auf dieser fehlenden Anerkennung der ostdeutschen Leistungen fußten die heutigen antidemokratischen Tendenzen.

Insbesondere die zergliederte Bildungspolitik prangerte Gysi als unzeitgemäß an, denn „Bildung ist der einzige Rohstoff Deutschlands“. In diesem Sinne forderte er eine verstärkte Erziehung zu Demokratie und Freiheit, aber auch Gemeinschaftsschulen und eine Anpassung der Schulabschlüsse.

„Wir sollten Entwicklungshilfe in Uganda beantragen.“ Mit solch lakonischen Sprüchen brachte der außenpolitische Sprecher seiner Partei auf den Punkt, dass das afrikanische Land in puncto Handy-Netzabdeckung besser aufgestellt sei als Deutschland und wir international an mancher Stelle hinterherhinkten. Er skizzierte die Machtverschiebungen in der Weltpolitik, den „Kampf um Indien“ und die Bedeutung des BRICS-Bündnisses (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) als Gegenpol zur Supermacht Amerika, aber auch, wie Putin zur Wiederbelebung der NATO beigetragen habe. In der Welt seien demokratische Staaten in der Minderheit und ihre Zahl nähme weiter ab. Deshalb forderte er eine Rückkehr zum Völkerrecht und zu mehr Diplomatie.

Die ausführlichen Antworten auf die Fragen von Moderator Thomas Warndorf, der es als jahrelanger Chefankläger des Stockacher Narrengerichts versteht, Politiker in die Mangel zu nehmen, fanden bei den Zuschauern breite Zustimmung. Die vom Gast vorgestellte Bildung eines Bündnisses der etablierten Parteien, das deren Glaubwürdigkeit hinterfragt und auf neue Beine stellt, wurde als Anregung dankbar aufgenommen und ihm als „Hausaufgabe“ wieder mitgegeben. Das Publikum erlebte nach einem verspäteten Beginn wegen einer Flugverzögerung und Verkehrsbehinderungen aufgrund der Unwetterfolgen eine aufschlussreiche Veranstaltung, die sicherlich zu weiteren Diskussionen im Nachgang anregte.

Südkurier 26.07.2023

Sommergespräch-Impressionen
Dr. Gregor Gysi und Thomas Warndorf
Dr. Gregor Gysi antwortet Moderator Thomas Warndorf
Dr. Gregor Gysi und Ulf Hartmann
Finanzvorstand Ulf Hartmann war aus Stuttgart angereist
Dr. Gregor Gysi und Thomas Warndorf
Zwiegespräch auf dem Podium: Dr. Gregor Gysi und Thomas Warndorf
Bernd Löhle und Publikum
Kreisverbandsvorsitzender Bernd Löhle begrüßte Gast und Publikum

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