Tötungsdelikte bei Partnergewalt: Opferschutz verstärken Täterarbeit ausbauen

Pressemitteilung - geschrieben am 22.11.2023 - 14:40

Singen 22.11.2023 Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland seine Frau zu töten. An jedem dritten Tag gelingt das. In den vergangenen zehn Jahren starben bundesweit jährlich zwischen 110 und 155 Frauen. In Baden-Württemberg waren es im Jahr 2022 laut Sicherheitsbericht zur Kriminalitätsentwicklung 25 Femizide. Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (25.11.) fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg und Frauen und Kinderschutz e.V. Singen zum Schutz von hochgefährdeten Frauen einen besseren Opferschutz und den flächendeckenden Ausbau der Täterarbeit. Dazu sei eine bessere Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Einrichtungen und Behörden in Hochrisikofällen erforderlich.  

Ute Seifried, Erste Bürgermeisterin der Stadt Singen:
„Statistisch betrachtet ist das eigene Zuhause der gefährlichste Ort für eine Frau. Die größte Gefahr geht vom Partner oder Ex-Partner aus. Es sollte der Politik und unserem Rechtsstaat daher wichtig sein, dass häusliche Gewalt als geschlechterspezifisches Problem in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung anerkannt wird. Denn nur so kann man wirksam gegen diese Form der Gewalt gegen Frauen angehen.“

Dr. Katrin Lehmann, Referentin für Frauen und Mädchen bei Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg:
„Ein Femizid bedeutet die vorsätzliche Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind. Sie werden hauptsächlich durch Partner oder Expartner verübt und stehen im Zusammenhang mit männlichen Besitzansprüchen und einem erlebten Kontrollverlust über die Frau. Zum Schutz von hochgefährdeten Frauen ist ein flächendeckendes Hilfesystem aus Beratungsstellen und reichlich Schutzplätzen in Frauenhäusern notwendig. Es gilt Warnsignale zu erkennen und Kooperationen zwischen Polizei, Justiz Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern sowie Jugendamt und Täterarbeit flächendeckend auszubauen. Denn: Viele wissen zusammen mehr und können aus verschiedenen Richtungen zum Schutz von Frauen und Kindern tätig werden. Hierfür brauchen sowohl Polizei als auch soziale Einrichtungen Ressourcen und verbindliche Leitlinien im Umgang mit Hochrisikofällen. Bedeutsam ist auch ein aufmerksames gesellschaftliches Umfeld: Besorgte Familienangehörige, Freundinnen und Arbeitskolleg*innen können auf Frauen und Männer einwirken und sie ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

Vanessa Wind, Geschäftsführung, Frauen und Kinderschutz e.V. Singen:
„In unserer Schutzarbeit arbeiten wir auch oft mit sogenannten Hochrisikofällen. Im Jahr 2022 wurde eine ehemalige Bewohnerin unseres Frauenhauses im Beisein ihres Sohnes von ihrem Ehemann erschossen. Trotz der guten Zusammenarbeit mit der Polizei in Singen und umfassenden Schutzmaßnahmen war es nicht möglich, diese Tat zu verhindern. Wir wollen, dass bei häuslicher Gewalt der Täter mehr in den Fokus rückt und Taten, deren absolute Steigerung die Tötung von Frauen sein kann, so verhindert werden. Hierbei ist ein neuer gesetzlicher Rahmen erforderlich, der bei erneuten Drohungen das Festsetzen des Täters und auch bei Sorgerechtsentscheidungen das Aussetzen von Umgangskontakten ermöglicht.“

EKHK Christoph Isselstein, Führungs- und Einsatzstab Koordinierungsstelle häusliche Gewalt, Polizeipräsidium Konstanz:
„Die Polizei bildet einen wesentlichen Baustein zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Daher hat die Polizei Baden-Württemberg hier mit einem strukturierten Gefährdungsmanagement einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist gerade bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt ein breites Netzwerk – von Privatpersonen über Hilfs- und Beratungsstellen bis Behörden – entscheidend, um häusliche Gewalt zu bekämpfen und letztlich auch Femizide zu verhindern. Deshalb kommen der behörden- und fachstellenübergreifenden Zusammenarbeit sowie der gelebten Zivilcourage der Bürgerinnen und Bürger eine große Bedeutung zu.“

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